Zusammenfassung: Die Entwicklung komplexer Produkte und die Steuerung umfangreicher Lieferketten erhöhen das Risiko von Fehlern, insbesondere bei der Einführung neuer Produkte. Um sicherzustellen, dass sowohl die Produkt- als auch die Prozessqualität den höchsten Standards entsprechen, ist ein systematischer Ansatz unverzichtbar. Advanced Product Quality Planning (APQP) bzw. der APQP-Prozess bietet eine strukturierte Vorgehensweise, die durch die enge Zusammenarbeit verschiedener Fachbereiche wie Design, Produktion, Qualitätssicherung und Lieferantenmanagement unterstützt wird. Diese bereichsübergreifende Zusammenarbeit ermöglicht eine frühzeitige Identifizierung und Beseitigung potenzieller Fehlerquellen durch proaktive Risikoanalysen. Kontinuierliche Verbesserung spielt dabei eine zentrale Rolle.
Was ist Advanced Product Quality Planning (APQP)?
APQP, oder Advanced Product Quality Planning, ist ein strukturierter Ansatz zur Qualitätsvorausplanung. Noch bevor die Produktion beginnt, werden wichtige Maßnahmen definiert, um die hohe Qualität des Endprodukts sicherzustellen. Der APQP-Prozess basiert auf der IATF 16949, der Qualitätsmanagement-Norm für die Automobilindustrie, und garantiert, dass Produkte und Dienstleistungen Kundenerwartungen entsprechen. Der APQP-Prozess besteht aus fünf Phasen, wobei der Fokus auf kontinuierlicher Verbesserung liegt.
Merkmale der Qualitätsvorausplanung
Im Mittelpunkt von APQP (Advanced Product Quality Planning) steht die frühzeitige Sicherstellung der Produktqualität bereits in der Planungs- und Entwicklungsphase, um Qualitätsprobleme in der Serienfertigung zu vermeiden. Dabei kommen standardisierte Methoden wie FMEA (Fehlermöglichkeits- und Einflussanalyse), QFD (Quality Function Deployment) und Qualitätsplanungen zum Einsatz. Ein zentrales Ergebnis dieses Prozesses ist der Produktionslenkungsplan (Control Plan), der als Grundlage für die Serienfertigung dient. Kontrollpläne (Control Plans) lenken den gesamten Entwicklungsprozess, indem sie klare Ziele, Anforderungen und kritische Meilensteine festlegen, um sicherzustellen, dass Qualitätsziele erreicht werden.
Historischer Kontext von APQP
In den 1980er Jahren wurde APQP von der Ford Motor Company eingeführt, um die Qualitätsplanung bei Zulieferern zu optimieren. Ursprünglich unter dem Namen Advanced Quality Planning (AQP) bekannt, entwickelte sich der APQP-Prozess zu einem wichtigen Werkzeug zur Entwicklung von Präventions- und Erkennungskontrollen für neue Produkte. In den 1990er Jahren standardisierten nordamerikanische Automobilhersteller den APQP-Prozess und führten ihn 1994 offiziell ein, gefolgt von einer weiteren Aktualisierung im Jahr 2008. Der standardisierte Prozess fasst die Planungsaktivitäten der Automobilhersteller zusammen und unterstützt Zulieferer bei der erfolgreichen Validierung neuer Produkte und Prozesse. Gleichzeitig fördert APQP kontinuierliche Verbesserungen, um die hohen Qualitätsanforderungen der Automobilindustrie zu erfüllen.
Hauptziele des APQP-Prozesses
Der APQP-Prozess verfolgt das Ziel, die Qualität von Produkten und Dienstleistungen kontinuierlich zu verbessern, um den Erwartungen der Kunden gerecht zu werden.
Früherkennung und Vermeidung von Fehlern
APQP erleichtert die frühzeitige Identifikation potenzieller Probleme und Risiken in der Produktentwicklung. Eine profunde Analyse ermöglicht es, potenzielle Fehlerquellen zu erkennen und zu beseitigen, bevor diese kostspielige Auswirkungen haben.
Strukturierte Planung und Organisation
APQP definiert einen klaren Planungs- und Organisationsprozess. Dies umfasst die Festlegung von Meilensteinen, Zuweisung von Verantwortlichkeiten und Erstellung von Prozessabläufen, um sicherzustellen, dass Qualitätsstandards eingehalten werden.
Kontinuierliche Verbesserung
Der APQP-Prozess fördert kontinuierliche Verbesserung der Produktqualität. Durch regelmäßige Überprüfungen und Anpassungen können Unternehmen ihre Prozesse optimieren und die Qualität ihrer Produkte steigern.
Erfüllung der Kundenanforderungen
APQP trägt dazu bei, dass hergestellte Produkte Kundenanforderungen- und Erwartungen gerecht werden. Dies ist besonders in Branchen wie der Automobilindustrie von Bedeutung, wo strenge Qualitätsstandards gelten.
Bedeutung von FMEA im APQP-Prozess
FMEA (englisch Failure Mode and Effects Analysis, deutsch Fehlermöglichkeits- und Einflussanalyse) ist eine analytische Methode der Zuverlässigkeitstechnik und integraler Bestandteil des APQP-Prozesses, da sie systematisch mögliche Schwachstellen in der Produktentwicklung aufdeckt. Durch ihre Anwendung können Fehler frühzeitig identifiziert und deren Auswirkungen minimiert werden, bevor diese in den Produktionsprozess gelangen. Dies führt nicht nur zu einer höheren Produktqualität, sondern auch zu einer Reduzierung von Kosten, die durch Nacharbeiten oder Rückrufaktionen entstehen könnten.
Qualitätsregelkarten im APQP-Prozess
Qualitätsregelkarten sind ein unverzichtbares Instrument im APQP-Prozess, um eine genaue Kontrolle und Überwachung der Produktionsprozesse zu ermöglichen. Sie ermöglichen es, Schwankungen in der Produktqualität frühzeitig zu erkennen und Abweichungen von den festgelegten Standards schnell zu identifizieren. In Folge können Korrekturmaßnahmen unmittelbar eingeleitet werden. Die Karten tragen maßgeblich zur Sicherstellung der Stabilität und Konsistenz in der Produktion bei, fördern kontinuierliche Verbesserung der Produktqualität und reduzieren sowohl Nacharbeiten als auch Ausschuss. So wird die Einhaltung hoher Qualitätsstandards über den gesamten Produktionszyklus hinweg sichergestellt.
Die 5 Phasen von APQP
Der APQP-Prozess gliedert sich in fünf Phasen, die jeweils spezifische Aspekte der Produktentwicklung abdecken:
1. Planungsphase
Projektbedingungen und -ziele werden festgelegt. Der APQP-Prozess stellt sicher, dass Kundenanforderungen systematisch erfasst, analysiert und in den Produktentwicklungsprozess integriert werden. Anforderungen werden in klar definierte Spezifikationen übersetzt, die als Grundlage für das Produktdesign und den Produktionsprozess dienen. Typische Ergebnisse der Planungsphase sind Lastenhefte sowie Zuverlässigkeits- und Qualitätsziele.
2. Produktdesign und -entwicklung
Basierend auf Kundenanforderungen wird das Produktdesign entwickelt. Dies umfasst Planung der Fertigungs- und Montageprozesse sowie Erstellung von Design-FMEAs und Prototypen. Funktionsübergreifende Teams arbeiten eng zusammen, um sicherzustellen, dass Produktdesigns den Kundenerwartungen und regulatorischen Standards entsprechen. Das Ziel der Phase ist es, ein serientaugliches und funktionales Design zu entwickeln.
3. Prozessentwicklung
Im Anschluss werden effiziente Produktionssysteme entwickelt. Hierzu werden Prozessflussdiagramme erstellt und Prozess–FMEAs (PFMEAs) durchgeführt, um potenzielle Risiken zu erkennen und zu minimieren. Ziel ist es, einen Produktionsprozess zu entwickeln, der durchgängig effizient arbeitet und dabei konstant Produkte von hoher Qualität liefert. Dabei werden Materialien, Anlagen und Maschinen sorgfältig ausgewählt und validiert.
4. Produkt- und Prozessvalidierung
Die Validierung des Produktionsprozesses erfolgt, um sicherzustellen, dass produzierte Produkte Kundenanforderungen entsprechen. Dies beinhaltet Probeläufe, Messsystemanalysen (MSA) und Bemusterungen gemäß PPAP (Production Part Approval Process). Durch verschiedene Tests wie Leistungstests und statistische Prozesskontrollen (SPC) sollen Stabilität und Zuverlässigkeit des Produktionsprozesses gewährleistet werden.
5. Feedback und Korrekturmaßnahmen
Die letzte Phase des APQP-Prozesses umfasst Produkteinführung, Sammlung von Kundenfeedback und Implementierung von Korrekturmaßnahmen. Feedback dient dazu, Verbesserungspotenziale zu identifizieren und die Produktqualität langfristig zu sichern. Kundenzufriedenheit soll kontinuierlich verbessert werden und Produktionsabweichungen minimiert werden.
Vorteile von APQP
Die Implementierung von APQP bringt Unternehmen zahlreiche Vorteile, darunter:
Effektive Qualitätskontrolle
APQP integriert Qualität von Beginn an in den Produkt- und Prozessentwicklungszyklus. Durch die frühzeitige Identifizierung und Behebung potenzieller Probleme werden Nacharbeiten reduziert und die Gesamtqualität verbessert.
Förderung der Zusammenarbeit
APQP fördert die funktionsübergreifende Zusammenarbeit und Kommunikation zwischen den an der Produktentwicklung beteiligten Teams, was zu einem besseren Verständnis der Kundenanforderungen und einer effizienteren Problemlösung führt.
Risikominderung
Durch den Einsatz von Risikobewertungstechniken wie FMEA ermöglicht APQP eine frühzeitige Identifizierung und Minimierung potenzieller Risiken. Dies hilft, kostspielige Fehler zu vermeiden, die Sicherheit zu erhöhen und die Einhaltung von Vorschriften sicherzustellen.
Optimierung des Entwicklungsprozesses
APQP bietet einen strukturierten Rahmen, der den Produktentwicklungsprozess effizienter gestaltet, die Markteinführungszeit verkürzt und das Projektmanagement optimiert.
Steigerung der Kundenzufriedenheit
APQP hilft Unternehmen, ein tiefgehendes Verständnis der Kundenerwartungen zu entwickeln und diese gezielt zu erfüllen. Indem Kunden frühzeitig in den Entwicklungsprozess eingebunden werden, können Produkte optimal auf Kundenanforderungen zugeschnitten werden, was die Kundenzufriedenheit erhöht und Kundenbindung stärkt.
Herausforderungen von APQP
Obwohl APQP zahlreiche Vorteile bietet, bestehen auch einige Herausforderungen. Der hohe Aufwand, der mit den fünf Phasen verbunden ist, sowie Schwierigkeiten, alle Kontrollpläne frühzeitig zu erstellen, können Probleme in der Serienproduktion verursachen. Begrenzte Rückmeldungen von Kunden und Lieferanten sowie komplexe Umsetzungsschritte können zudem zu Verzögerungen und zusätzlichen Kosten führen.
APQP und ISO 9001 im Vergleich
APQP wurde speziell für die Automobilindustrie entwickelt und konzentriert sich auf die Qualität in der Produktentwicklung, während ISO 9001 branchenübergreifend für Unternehmen jeder Art geeignet ist und das gesamte Qualitätsmanagement sowie die Kundenorientierung optimiert. Beide Normen verfolgen einen prozessorientierten Ansatz: APQP ist auf die Produktentwicklung ausgerichtet, während ISO 9001 das gesamte Qualitätsmanagementsystem (QMS) abdeckt. Ein wesentlicher Unterschied ist, dass APQP keine Zertifizierung erfordert, während ISO 9001 eine Zertifizierung durch eine akkreditierte Stelle voraussetzt.
Ausblick
Der APQP-Prozess ist nicht nur ein technischer Ansatz, sondern eine Denkweise, die alle Phasen der Produktentwicklung beeinflusst. Im Zentrum steht eine Philosophie des proaktiven Qualitätsmanagements, bei der Fehler frühzeitig erkannt und vermieden werden. Maßnahmen werden nicht erst nach Abschluss der Produktion ergriffen, sondern sind von Beginn an fest im Produktionsprozess verankert. Der ganzheitliche Ansatz fördert eine Kultur der kontinuierlichen Verbesserung und bringt Unternehmen zur Exzellenz in Qualität und Kundenzufriedenheit.
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