Zusammenfassung: In der Automatisierungstechnik gewinnt die virtuelle Inbetriebnahme (VIBN) zunehmend an Bedeutung, wobei über 60 % der Unternehmen VIBN bereits fest in ihre Entwicklungsprozesse integriert haben. Doch was genau steckt hinter dieser Technologie und warum ist sie so effizient? Durch VIBN können Maschinen und Anlagen in einer vollständig digitalen Umgebung getestet werden, bevor sie physisch montiert und in Betrieb genommen werden. Die Methode kann die Fehlerquote um bis zu 30 % reduzieren und spart erheblich Zeit sowie Kosten ein. Besonders in Branchen wie dem Maschinenbau, der Automobilindustrie und der Fertigungsindustrie ist VIBN entscheidend, um automatisierte Prozesse und komplexe Produktionsabläufe sicherer und effizienter zu gestalten¹.
¹VDMA (Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau) Studie 2023: “Virtuelle Inbetriebnahme in der Industrie – Einblick in den Einsatz und die Effizienz”
Was ist Virtuelle Inbetriebnahme und wie funktioniert sie?
Virtuelle Inbetriebnahme beschreibt die Simulation von Maschinen und Anlagen in einer digitalen Umgebung, bevor diese physisch implementiert werden. Der Ansatz ermöglicht es, Steuerungsprogramme und die dazugehörige Kinematik sowie Automatisierungstechnik umfassend zu testen. So können Fehler in einem frühen Stadium identifiziert und behoben werden, wodurch die Effizienz in der Produktion gesteigert wird. Durch die Verbindung von Steuerungsebenen und dem virtuellen Modell wird der gesamte Produktionsprozess vor der tatsächlichen Inbetriebnahme optimiert.
Die Rolle der Simulationssysteme und 3D-Simulation
Ein zentraler Bestandteil der virtuellen Inbetriebnahme (VIBN) ist der Einsatz von Simulationssystemen und 3D-Simulationen. Maschinen und Anlagen werden in ihrer gesamten Kinematik realitätsnah abgebildet, wodurch Ingenieure komplexe Produktionsabläufe sowie Interaktionen zwischen verschiedenen Anlagen- und Maschinenkomponenten simulieren können. So werden potenzielle Probleme frühzeitig erkannt und behoben, bevor diese in der realen Produktion zu Verzögerungen führen.
Virtuelle Inbetriebnahme: Mehr als nur Simulation
Virtuelle Inbetriebnahme geht über die reine Simulation einzelner Maschinen und Anlagen hinaus und umfasst die gesamte Prozesssimulation. Unternehmen können komplexe Produktionsabläufe in einer virtuellen Umgebung nachstellen und Interaktionen zwischen verschiedenen Anlagen- und Systemkomponenten testen. Dadurch können potenzielle Fehler frühzeitig identifiziert und korrigiert werden, was zu einer reibungsloseren Inbetriebnahme führt, die Betriebssicherheit erhöht und die Planungssicherheit verbessert
Was ist ein digitaler Zwilling?
Ein sog. digitaler Zwilling ist die exakte digitale Nachbildung einer Maschine oder Anlage, die alle physikalischen und funktionalen Eigenschaften abbildet und die Simulation verschiedener Szenarien und Produktionsbedingungen ermöglicht. Echtzeit-Daten aus der Anlage bzw. Maschine fließen fortwährend in den digitalen Zwilling ein, sodass deren Verhalten präzise wiedergegeben wird. Durch die nahtlose Integration von Steuerungsebenen und Echtzeit-Daten entsteht eine enge Verknüpfung zwischen der virtuellen Darstellung und der realen Anlage oder Maschine, was die Flexibilität und Anpassungsfähigkeit in der Produktion erheblich erhöht.
Klassische Inbetriebnahme vs virtuelle Inbetriebnahme
Die 4 Phasen des VIBN-Prozesses
Der Prozess der virtuellen Inbetriebnahme lässt sich in vier wesentliche Schritte unterteilen:
1. Erstellung des virtuellen Modells
Zu Beginn wird ein detailliertes, digitales Abbild einer Anlage oder Maschine erstellt, das alle wesentlichen Parameter umfasst.
2. Konfiguration des Simulationsaufbaus
Verschiedene Produktionsszenarien und Belastungstests werden festgelegt, um eine Anlage oder Maschine realitätsnah zu testen.
3. Durchführung der Simulation
Der Test unter realistischen Bedingungen überprüft, ob eine Anlage oder Maschine wie geplant funktioniert und die Steuerungslogik einwandfrei arbeitet.
4. Optimierung
Nach Abschluss der Simulation werden notwendige Anpassungen vorgenommen, um die Effizienz der Steuerungs- und Maschinenabläufe zu maximieren.
Vorteile virtueller Inbetriebnahme
Die Vorteile der VIBN sind vielfältig und erstrecken sich über mehrere Ebenen:
Frühzeitige Fehlererkennung
Durch eine vorherige Simulation lassen sich Probleme bereits in der Planungsphase erkennen und beheben, was die Wahrscheinlichkeit von Anlagenausfällen im realen Betrieb reduziert.
Zeit- und Kostenersparnis
Da viele Tests bereits in der virtuellen Umgebung durchgeführt werden, kann die reale Inbetriebnahme schneller und kosteneffizienter durchgeführt werden.
Höhere Effizienz
Durch eine schnelle und flexible Anpassung von Steuerungsebenen und Maschinenkonfigurationen in der virtuellen Umgebung wird die Effizienz des Produktionsprozesses optimiert.
Bessere Zusammenarbeit
Die Integration unterschiedlicher Abteilungen – von Ingenieuren über IT bis hin zur Produktion – verbessert die Effizienz in der Entwicklung und Umsetzung von Produktionsanlagen.
Typische Anwendungsbereiche der virtuellen Inbetriebnahme
Maschinenbau
Im Maschinenbau ermöglicht die VIBN, komplexe Maschinen und Produktionsanlagen bereits vor dem realen Aufbau zu testen. So lassen sich Steuerungssysteme optimieren und sicherstellen, dass Anlagen und Maschinen den Anforderungen gerecht werden.
Automobilindustrie
In der Automobilproduktion ist virtuelle Inbetriebnahme (VIBN) elementar; dies insbesondere bei der Einführung neuer Fahrzeugmodelle. Durch Simulation können Produktionsprozesse effizienter gestaltet und schneller realisiert werden.
Fertigungsindustrie
Hier kommt die virtuelle Inbetriebnahme zum Einsatz, um sicherzustellen, dass alle Maschinen und Anlagen reibungslos miteinander arbeiten. Besonders in der Massenproduktion sind Einsparungen enorm.
Automatisierungsindustrie
In dieser Branche spielt VIBN eine zentrale Rolle, da hier häufig komplexe Steuerungssysteme getestet werden müssen, bevor diese in der Realität implementiert werden.
Virtuelle Inbetriebnahme als Treiber der Industrie 4.0
Mit der Weiterentwicklung der Industrie 4.0 wird auch virtuelle Inbetriebnahme (VIBN) immer leistungsfähiger. Durch die Integration von IoT-Technologien, Big Data und Echtzeit-Überwachung können Unternehmen immer präzisere Simulationen durchführen.
Eine nahtlose Integration von VIBN in bestehende Systeme schafft zudem die Grundlage für neue Geschäftsmodelle wie „Manufacturing-as-a-Service“ (MaaS). Dabei bieten Unternehmen ihre Produktionsanlagen und -ressourcen als Dienstleistung an, sodass Kunden ihre Produkte fertigen lassen können, ohne in eigene Anlagen, Maschinen und Infrastruktur investieren zu müssen.
In einer dynamischen Welt wird die Fähigkeit, schnell auf Marktveränderungen zu reagieren, zum entscheidenden Wettbewerbsvorteil. Unternehmen, die frühzeitig auf VIBN und Industrie 4.0 setzen, können ihre Prozesse zukunftssicher gestalten und Marktchancen optimal nutzen.
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